Während in Berlin Windstille herrscht und langsam die Lichter ausgehen, wärmt sich die CSU in München an alten Ideen auf. Diesmal ist es die Atomkraft. Staatskanzleichef Florian Herrmann fordert ein neues Atomgesetz, um Bayern im globalen Rennen um Kernkrafttechnologien wieder in Stellung zu bringen. Dabei hat dieselbe CSU einst brav dem Atomausstieg der CDU-Kanzlerin Merkel zugestimmt – doch Wahlkampf lässt Erinnerung oft verblassen. Statt mit neuer Energie zu glänzen, schürt die Bayern-CSU nostalgische Atomträume. Und so bleibt am Ende ein vertrautes Bild: Strahlende Zukunftsvisionen auf der Bühne, ungelöster Atommüll im Hintergrund – und ein Wahlkampf, der altbekannte Themen neu verpackt.
In München redet man sich für den Wahlkampf warm. Wieder mal mit Atomkraft. Während das Bundesrecht die Rückkehr in die nukleare Zukunft eher als Gedankenspiel denn als handfeste Strategie sieht, wirft die bayerische Staatskanzlei mit wohlfeilen Forderungen nach einem modernisierten Atomgesetz um sich. Wahlkampf steht an – das große Theater darf beginnen.
Florian Herrmann, Staatskanzleichef und CSU-Mann der alten Schule, hat eine Vision: eine Welt, in der Bayern nicht nur Fußballmeister bleibt, sondern auch Kernkraft-Champion wird. Herrmann sieht die Welt um uns herum aufbrechen in ein strahlendes nukleares Zeitalter. Die USA wollen ihre Atomkapazitäten bis 2050 verdreifachen, während Frankreich und andere Nachbarn angeblich vor Stolz auf ihre Reaktoren glühen. Und Deutschland? Kaltgestellt wie eine ausgebrannte Brennstabkammer. Herrmanns Rezept: ein neues Atomgesetz, das uns ins globale Rennen um „hochmoderne Innovationen“ zurückbringt.
Damals waren sie dabei – und heute haben sie es vergessen. Es war schließlich nicht irgendeine grüne Ökopartei, die den Atomausstieg mit auf den Weg brachte, sondern die Union selbst, angeführt von der CDU, mit der CSU artig im Schlepptau. In jenen Tagen, als Angela Merkel noch die Kanzlerin aller war, hat die Bayern-CSU brav genickt, als es hieß: „Das war’s mit der Kernkraft.“ Doch wie das mit dem Erinnern so ist: Es verblasst schnell, wenn Wahlkampf ansteht.
Natürlich darf auch das Modewort der Stunde nicht fehlen: Transmutationsreaktoren. Radioaktiver Abfall wird dabei durch alchemistische Prozesse in harmloses Material umgewandelt. Bisher labortechnische Theorie, oder, wenn man es politisch formuliert, eine „spannende Diskussion“. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern träumt von kleinen, modularen Reaktoren, die irgendwann in den 2030er-Jahren vielleicht einmal zur Stromversorgung beitragen könnten. Nicht sofort, versteht sich. Aber Visionäre wie Aiwanger haben Zeit, so lange die Schlagzeilen stimmen.
Es ist ein bisschen wie mit der ewigen Liebe: Wir sehnen uns danach, zweifeln aber daran, ob sie wirklich möglich ist. Die Kernfusion – eine Energiequelle, die so sauber, so sicher und so unerschöpflich ist, dass sie fast schon wie ein Märchen klingt – könnte genau diese Hoffnung erfüllen. Und während wir noch davon träumen, die Energie der Sterne auf der Erde zu zähmen, schleicht sich etwas Pragmatismus in Gestalt der Small Modular Reactors (SMRs) ins Bild.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Energiequelle, die keine Treibhausgase emittiert, keine Abfallberge hinterlässt, die noch in Jahrtausenden leuchten, und die obendrein keinen Raum für Katastrophen lässt. Klingt utopisch? Vielleicht, aber es ist genau das, woran Wissenschaftler, auch in Bayern, seit Jahrzehnten arbeiten. Bei der Kernfusion werden Wasserstoffisotope wie Deuterium und Tritium miteinander verschmolzen – ein Prozess, der bei Temperaturen von Millionen Grad abläuft. Der Clou: Es gibt keine Kettenreaktionen, die außer Kontrolle geraten könnten. Wenn die Bedingungen nicht mehr stimmen, hört die Fusion einfach auf. Aus, vorbei, kein Risiko. Noch besser: Die Brennstoffe sind so gut wie unendlich verfügbar. Ein bisschen Schwerwasser aus den Weltmeeren, ein wenig Tritium aus der Lithiumgewinnung, und voilà – die Energieversorgung wäre gesichert. Natürlich, die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen, und skeptische Stimmen murmeln von exorbitanten Kosten und technischen Hürden. Aber seien wir ehrlich: Hat nicht jede große Revolution mit einem Traum begonnen?
Und während die Kernfusion sich noch auf den Laufstegen der Zukunft zeigt, betreten die Small Modular Reactors, kurz SMRs, schon jetzt die Bühne. Sie sind das, was man landläufig als „pragmatische Lösung“ bezeichnet, und das klingt in Deutschland verdächtig. Doch lassen Sie sich nicht täuschen: SMRs könnten genau die Art von Energie bieten, die unsere von Blackouts und Unsicherheiten geplagte Welt dringend braucht.
Die Idee ist bestechend: Statt riesige Kraftwerke zu bauen, deren Bauzeit sich über Jahrzehnte streckt und deren Kosten oft in die Stratosphäre klettern, setzt man auf kompakte, standardisierte Einheiten. Diese kleinen Reaktoren sind nicht nur günstiger und schneller zu bauen, sie passen auch viel besser in die Landschaft moderner Energienetze. Ein abgelegenes Bergdorf? Eine Fabrik mitten in der Wüste? Kein Problem, SMRs liefern genau die Energie, die gebraucht wird, genau dort, wo sie gebraucht wird. Doch der eigentliche Trumpf liegt in der Sicherheit: SMRs verwenden sogenannte passive Sicherheitssysteme, die selbst im Worst Case – wenn die Menschheit sich wieder einmal als unzuverlässig erweist – dafür sorgen, dass nichts Schlimmes passiert. Kein Schmelzen, kein Strahlen, kein Grund zur Panik.
Doch natürlich stehen auch die Spielverderber bereit. Die gibt es immer. Die Grünen erinnern daran, dass die Technologie noch nicht wirklich funktioniert. Statt technologischem Aufbruch sehen sie nur den verzweifelten Versuch, von den Versäumnissen bei der Energiewende abzulenken. Aber während die einen noch darüber streiten, ob Atomkraft zu den grünen Technologien gezählt werden darf, schauen die Visionäre schon weiter. Denn am Ende des Tages geht es um mehr als nur Strom. Es geht um Unabhängigkeit, unsere Wirtschaft und um Sicherheit.
In einer Zeit, in der viele lieber vergangene Fehler beklagen, sollten wir nicht vergessen, dass die Zukunft vor allem eines ist: Offen.
Was bleibt, ist das typische Schauspiel: Auf der politischen Bühne werden strahlende Zukunftsvisionen gezeichnet, viel geklappert und trotzdem nichts unternommen. Während andere Länder neue Technologien entwickeln und einsetzen, liefert Bayern Wahlkampfparolen. Moderne Atomenergie – wäre ein ernsthaftes Konzept, wenn es endlich angepackt werden würde. Wenn Berlin wieder mal blockiert und der Zukunft im Wege steht – sollte Bayern seinen eigenen Weg gehen.
Wie immer also, Wahlkampfreden – und nichts dahinter.
#CSU, #Atomkraft, #Florian Herrmann, #Hubert Aiwanger
Text: B. Steiner
Bild: Wolfgang Stemme auf Pixabay