Es gibt eine gewisse, nennen wir sie mal „Freundschaft“, die wir mit den Vereinigten Staaten pflegen. Eine Partnerschaft, die man von außen betrachtet als robust bezeichnen könnte, wären da nicht die gelegentlichen Stolpersteine, die man im Schatten der Transatlantikbrücke platziert. Donald Trump, der Großmeister der subtilen – oder vielmehr unsubtilen – Anreize, lässt es wieder krachen. Diesmal plant er, die deutschen Autobauer mit „günstigen“ Steuererleichterungen und „niedrigen“ Energiepreisen in die USA zu locken. Sollte das nicht reichen, na gut, dann müssen eben Zölle her. Man mag es „Angebot mit Nachdruck“ nennen, ich nenne es schlichtweg Erpressung.
Freundschaften, so sagt man, beruhen auf Gegenseitigkeit. Das gilt vielleicht im Privatleben, doch in der Politik scheint das Prinzip aus der Mode gekommen zu sein. Da sitzt man also in Berlin und München, lächelt, schüttelt brav Hände und macht einen ergebenen Diener, während der „Freund“ aus Übersee auf die eigenen Interessen schielt – oder direkt auf das wirtschaftliche Ergebnis. Aber wie lange soll man eine solche „Freundschaft“ aufrechterhalten, wenn man ständig derjenige ist, der gibt und zahlt, während auf der anderen Seite nur genommen wird? Eine Frage, die sich wohl nicht nur Bayern, Deutschland, sondern die gesamte EU stellen sollte.
Trump, der Freundschaftsdiplomat mit der Feinfühligkeit eines Vorschlaghammers, weiß genau, wie man europäische Wirtschaftsnerven kitzelt – oder besser, durchschneidet. Zunächst die Karotte: Steuererleichterungen, billige Energie. Doch wehe, die deutsche Autoindustrie kommt nicht nach. Dann greift der Mann im Anzug zur Peitsche: Einfuhrzölle, als hätte er nicht schon genug Porzellan zerschlagen.
Nun, man mag sich fragen: Wie verhält man sich, wenn der „beste Freund“ plötzlich das Messer hinter dem Rücken hervorholt? Dank Präsident Biden sind wir in dieser Frage schon bestens vorbereitet. Das Drama um die Nord Stream 2-Gasleitung hat uns deutlich gezeigt, dass unsere amerikanischen „Freunde“ keine Hemmungen haben, auch mal etwas zu sprengen – metaphorisch und, wie manche munkeln, vielleicht auch ganz real. Biden, stets der nette Onkel, hatte vorab angedeutet, dass Nord Stream 2 ein Ende finden könnte. Und siehe da: Es fand ein Ende. Zufall? Vielleicht. Aber die Ironie dieser Freundschaft ist kaum zu übersehen.
Es ist mitleiderregend, wie sich Europa an die Idee der transatlantischen Freundschaft klammert, während Washington längst andere Prioritäten setzt. Da ist es egal, wer im Weißen Haus sitzt – ob es nun der schillernde Trump oder der vermeintlich versöhnliche Biden ist – die amerikanische Außenpolitik bleibt konsequent hart. Europa? Ein Markt, den man nach Belieben formen und nutzen kann, ein Bündnispartner, dem man gelegentlich auf die Finger klopft, wenn er zu selbstständig wird. Freundschaft? Wohl eher ein gut getarnter Opportunismus.
Die Deutschen, sind ja besonders gut darin, loyale Freunde zu sein. Wie ein gutmütiger Hund, der immer wieder zum Herrchen zurückkehrt, egal wie oft er getreten wird. Doch irgendwann wird es Zeit, die Lektion zu lernen: Eine Freundschaft, die nur einseitig gepflegt wird, ist keine Freundschaft, sondern eine Abhängigkeit. Und nichts spiegelt diese Abhängigkeit besser wider als die ständige Unterwerfung unter amerikanische Wirtschaftsinteressen, von Gas bis Autos. Wir liefern, sie nehmen.
Aber wie lange lässt man sich das gefallen? Politische Freundschaften, so wie jede andere auch, sollten auf Gegenseitigkeit beruhen. Wenn der vermeintliche Freund jedoch immer nur fordert und droht – denken wir an Zölle, Sanktionen oder die geopolitische Kontrolle –, muss man irgendwann die Frage stellen: Was haben wir noch davon? Wir biegen uns, zahlen und brechen fast, um die Beziehung am Leben zu erhalten und die „Wünsche“ des Freunds zu erfüllen, während auf der anderen Seite kühle Berechnung herrscht.
Was also tun, wenn man sich von „Freunden“ hintergangen fühlt?
Es wäre vielleicht an der Zeit, eine neue Taktik zu wählen. Wir könnten doch einmal anfangen, die Dinge beim Namen zu nennen: Dies ist keine Freundschaft. Dies ist eine Zweckgemeinschaft, und Zweckgemeinschaften haben ein Verfallsdatum. Sobald der eine Partner nichts mehr zu bieten hat, wird er fallen gelassen. Die Frage ist nur, ob wir uns darauf vorbereiten oder weiterhin an einem idealisierten Bild festhalten.
Den Zeigefinger zu heben bringt nichts. Die USA spielen das Spiel auf einer anderen Ebene und unsere naive Hoffnung, man könne mit Vernunft und gutem Willen auskommen, ist schlichtweg fehl am Platz. Wir stehen vor der Wahl: Entweder wir beugen uns oder wir beginnen endlich, unsere eigenen Interessen zu verteidigen. Es wird Zeit, dass wir den transatlantischen Sand aus den Augen wischen und erkennen, dass „America First“ nicht nur eine Phrase ist – es ist eine Tatsache. Trump und Biden mögen unterschiedliche Stile haben, doch die Agenda bleibt dieselbe.
An dieser Stelle dürfen wir uns gerne etwas Gelassenheit gönnen. Weder Trump noch Biden werden uns in Ruhe lassen. Aber vielleicht sollten wir lernen, mit derselben Härte und Gerissenheit zu reagieren, die unsere „Freunde“ an den Tag legen. Wer uns mit Zöllen droht und Gasleitungen in die Luft jagt, der sollte damit rechnen, dass auch wir unsere Waffen zücken – vielleicht nicht militärisch, aber politisch und wirtschaftlich. Wieso nicht mal Sanktionen gegen US-Konzerne, oder den Abzug amerikanischer Truppen aus Bayern forcieren? Wieso nicht die Abhängigkeit von amerikanischen Technologien und Rohstoffen überdenken?
Das Spiel ist keineswegs verloren. Doch wer weiterhin glaubt, dass in der großen Weltpolitik Freundschaften existieren, der hat das Spiel nicht verstanden.
Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Solange wir die einseitige Pflege dieser „Freundschaft“ nicht hinterfragen, sind wir Teil des Problems. Der Gedanke der Freundschaft in der Politik ist bequem und charmant, aber eben auch naiv. Und Naivität, wie wir wissen, hat in der Politik noch nie etwas gebracht.
B. Steiner
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