Die Auseinandersetzung um die staatliche Selbständigkeit Bayerns ist so alt wie das Land selbst.

Schon im 6. Jahrhundert – also unmittelbar nach der Schaffung einer ersten staatlichen Organisation Bayerns – versuchte der damalige Bajuwarenherzog Garibald I., sich aus dem Einflußbereich des merowingischen Frankenreiches zu lösen und baute enge Verbindungen zu dem damals in Norditalien existierenden Langobardenreich auf. Er betrieb bewußt eine eigene baierische Außenpoltik mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Unabhängigkeit vom fränkischen Zentralreich. Dieses Streben blieb, mit wechselndem Erfolg, bis ins 8. Jahrhundert politische Konstituante der im Herzogtum Baiern regierenden Agilolfingerherzöge und erreichte unter Herzog Tassilo III. (748 – 788) einen Zustand weitgehender Selbständigkeit, der erst durch die Intervention Karl des Großen mit der juristisch bis heute fragwürdigen Absetzung Tassilos und der Eingliederung Baierns in das Karolingerreich beendet wurde.
In den folgenden Jahrhunderten blieb also Baiern Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die trotz allem immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen der Baiernherzöge mit der Zentralgewalt – erwähnt sei hier nur Herzog Arnulf gegen die Ottonenkaiser oder Heinrich der Löwe gegen die Salier – hatten eher dynastischen Charakter und waren in den Modalitäten des damaligen Lehenswesens begründet. Hier ist allerdings festzuhalten, dass die inneren Strukturen des Heiligen Römischen Reiches den Herzogtümern große politische Freiheiten einräumten, so dass auch im Rahmen der Reichsverfassung das politische Eigenleben Baierns über die Jahrhunderte erhalten blieb. Dies zeigt sich etwa während des Dreißigjährigen Krieges, wo Kurfürst Maximilian I. eine prägende baierische Rolle einnehmen konnte oder im Spanischen Erbfolgekrieg, als Kurfürst Max Emanuel in Frontstellung gegen den Kaiser zum ersten mal etwas wie ein baierisches Identitätsbewußtsein (Aufstand 1705/06) auslöste.
Mit dem Ende des Reiches 1803 entstand dann ein eigenes baierisches Nationalbewußtsein, das sich etwa optisch in den Bauwerken Ludwig I. (Bavaria, Befreiungshalle) manifestierte. Im Deutschen Bund 1815 bis 1866 konnte dieses Nationalbewußtsein in vielfältiger Weise, auch unter Einschluß der neu erworbenen fränkischen und schwäbischen Gebiete, gefestigt werden, so dass es nicht verwundert, dass die Bismarcksche Reichsgründung unter preußischer Hegemonie 1871 in Bayern auf erheblichen Widerstand stieß. Die Gründung der Patriotenpartei 1869 hatte primär das Ziel, die Eingliederung Bayerns in dieses neue Deutsche Reich, wesentlich zentralistischer organisiert als der mittelalterliche Vorgänger, zu verhindern.
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass dennoch Bayern im Lauf der nächsten 50 Jahre im Bismarck-Reich weitgehend aufging und die staatliche Identität sich zunehmend auf Folkloreaspekte reduzierte. Ursächlich war hier neben der wirtschaftlichen Prosperität des Reiches auch die Krise der bayerischen Monarchie mit dem Tod Ludwig II. und der weitgehend entpolitisierten Herrschaft des Prinzregenten Luitpold. Eine Rückbesinnung auf die Möglichkeit bayerischen Eigenlebens kam erst wieder in der katastrophalen Endphase des ersten Weltkrieges zum Tragen.
Der verlorene Krieg mit den Bestimmungen des Versailler Vertrages und die Revolution 1918 führten schließlich zur Gründung der Bayerischen Volkspartei mit betont bayerisch-föderalistischer Programmatik: „Wir haben es satt, von Berlin aus bis ins Kleinste regiert zu werden!“ Historisch bleibt jedoch festzuhalten, dass die BVP unter den zentralistischen Rahmenbedingungen der Weimarer Verfassung von ihrem Programm kaum etwas durchsetzen konnte – mit ihrer Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933 endete die Restselbständigkeit Bayerns und die BVP als Partei.
Monarchistisch-bayerischer Widerstand ist freilich auch während des Hitler-Regimes nicht ganz erloschen. Erwähnt sei hier der Harnier-Kreis oder unter Exilanten die „Bayerische Heimatbewegung“ des Dr. Gebhard Seelos und des späteren Kultusministers Dr. Otto Hipp, auch schon erste theoretische Überlegungen zur staatlichen Neugestaltung Bayerns nach dem erwartbaren Zusammenbruch durch Wilhelm Hoegner und Prof. Nawiasky. Mit Abstrichen ist hierzu auch die Freiheits-Aktion Bayern in den letzten Kriegstagen zu zählen.
Die Wiederbegründung des Freistaats Bayern 1945 erfolgte zwar unter den Bedingungen der amerikanischen Besatzungsmacht, aber naturgemäß ohne regulierende Eingriffe einer ja nicht existenten deutschen Zentralgewalt. Die 1946 verabschiedete Bayerische Verfassung ist daher, anders als spätere Länderverfassungen in der BRD, als Vollverfassung für einen völlig eigenständigen Staat angelegt.

So hat Bayern bis heute die Grundlagen für ein staatliches Eigenleben – ein Eigenleben, das angesichts der derzeitigen politischen Verhältnisse attraktiver erscheint denn je.

Verfasser: Hubert Dorn

Bild: Alexa auf Pixabay

Von Bavarian